Göttinger Zeitung,  21. Dezember 1918: Tanzfreigabe über die bevorstehenden Feiertage. StA Göttingen
Göttinger Zeitung, 21. Dezember 1918: Tanzfreigabe über die bevorstehenden Feiertage. StA Göttingen

„Da herrschte eine sagenhafte Tanzwut“

 

„Es waren überall Witwenbälle‚ Soldatenbälle und vieles mehr. Es war in Göttingen immer etwas los. Die ganzen Kriegsjahre hatte man nichts gehabt, und jetzt wollte nun alles nachholen.“ (Zeitzeuge)

 

„Da herrschte eine sagenhafte Tanzwut. In allen Lokalen fanden Bälle und sonstige Lustbarkeiten statt. Man wollte sich entspannen. Das hatte man sonst die Jahre nicht gehabt.“ (Zeitzeuge)

 

Nach einer langen Zeit von Entbehrung und Hunger, von Krieg und Verlust kehrte Anfang des Jahres 1919 ein wenig „Normalität“ in die Stadt zurück. „(…) man konnte für sein Geld wieder etwas bekommen. Man konnte etwa Schuhe und Strümpfe kaufen.“ (Zeitzeugin) Gleichzeitig blieb die Armut groß: „Wir trugen zumeist unsere alten Uniformen, natürlich ohne Rangabzeichen‚ mit zivilen Knöpfen usw.“ (Zeitzeuge)

 

Die Zahl der Todesfälle ging nach dem Abklingen der Grippewelle zurück. Die Göttinger heirateten wieder: Die Zahl der Hochzeiten stieg von 169 im Jahr 1918 auf 419 im folgenden Jahr.

 

Und die Menschen gingen ins Kino - falls dies wegen der Kohleknappheit beheizt war. Sie besuchten Konzerte und Feiern. Zwang und Disziplin der Kriegsjahre wurden abgeschüttelt. Die Leute wollten wieder tanzen. Die angebliche „Tanzwut“ erregte die Gemüter angesichts der vielen Toten des Krieges und der schwierigen Lage Deutschlands. Diese besserte sich nur zögerlich. Bis zu den „Goldenen Zwanzigern“ war aber der Weg noch weit.