Kapp-Lüttwitz-Putsch
"Nachdem der Militärgeistliche die Toten der Erde übergeben hatte, sangen die vereinigten Arbeitergesangvereine ihren Kollegen einige Abschiedslieder." (Göttinger Zeitung 23. März 1920)
Reichswehrminister Gustav Noske löste am 29. Februar 1920 die Marinebrigade von Hermann Ehrhardt und das Freikorps Loewenfeld auf. Walther von Lüttwitz, ranghöchster General der sog.
Vorläufigen Reichswehr, widersetzte sich. Er marschierte am 13. März mit der Marinebrigade in das Berliner Regierungsviertel ein. Lüttwitz ernannte den ostpreußischen
Generallandschaftsdirektor Wolfgang Kapp zum Reichkanzler.
Von der Reichswehr nicht unterstützt, floh die Regierung von Reichskanzler Gustav Bauer und Reichspräsident Ebert aus Berlin. SPD-Regierungsmitglieder und der SPD-Vorsitzende Otto Wels riefen zum
Generalstreik auf. Das führte u. a. zum Zusammenbruch öffentlicher Dienstleistungen. Da sich auch Ministerialbeamten weigern, Kapps Anordnungen zu folgen, scheitert der Putsch nach vier Tagen.
Die Göttinger Zeitung erschien mit Beginn des Generalstreiks am 15. März 1920 nicht mehr. In der Ausgabe vom 23. März wurde eine Chronik der Geschehnisse in Göttingen veröffentlicht. Sie wird hier zusammen mit Informationen aus Dokumenten wiedergegeben.
Sonntag 14. März 1920
Montag 15. März 1920
Dienstag, 16. März 1920
Die Göttinger Zeitung spricht von einer „größeren Menschenansammlung am Abend in der Weenderstraße am Dienstag, 16. März 1920. An diesem Tag dauert der Generalstreik gegen den Kapp-Lüttwitz-Putsch in Berlin bereits zwei Tage. Zwei Tage Generalstreik bedeuten zwei Tage ohne Zeitungen, zwei Tage ohne Nachrichten über den Putsch. Die Göttinger versuchten sich deshalb direkt am Rathaus zu informieren.
Mittwoch 17. März 1920
Donnerstag 18. März
Streik
Auch in Göttingen kommt es zu einem Generalstreik gegen den Putsch. Ab dem 15. März nahmen 8094 Personen teil, die Zahl entspricht der Mitgliederzahl der Freien Gewerkschaften in Göttingen. In der Nachweisung über einen Streik, der von der Polizei ausgefüllt wurde, heißt es, dass es in den vier Tagen keine Arbeitswilligen gab.
Am 17. März schlossen sich die meisten Angestellten dem Streik an. Einige Geschäfte hielten aber ihren Betrieb aufrecht. Dagegen richtete sich der Zorn einzelner Gruppen aus der Arbeiterschaft und führte zu teilweise tumultösen Szenen.
Todesopfer
Das Klima in Göttingen war angespannt: Die Göttinger Zeitfreiwiligen wurden in der Nacht zum Dienstag, den 16.03.1919 einberufen. Das Auftreten des Militärs am Dienstag, die o.g. angesprochenen Aktionen gegen einzelne Geschäfte sowie die Gerüchte über die Einführung einer Räterepublik trugen dazu bei. Die Menschen waren verunsichert.
Am Donnerstag, den 18.03.1919, fand sich eine größere Menge vor der Kaserne ein, um eine Deputation an den Standortältesten zu schicken. Die Deputation wurde abgewiesen, die Menschen gegen den Wall hin abgedrängt. In dieser Situation schoss eine der Wachen, ein Student, Angehöriger der Zeitfreiwilligenformation. Der Eisenbahnarbeiter Heinrich Gerstenberg (31 Jahre, auf Wahlvorschlagsliste des Gewerkschaftskartells) und der Weichensteller Karl Ludolf starben.