Stab des Studentenbataillons, 1920 (Angehörige der Verbindung Holzminda): v.l. Lampe, Schübel, Tannenberg, Sonnemann, Hänel.
Stab des Studentenbataillons, 1920 (Angehörige der Verbindung Holzminda): v.l. Lampe, Schübel, Tannenberg, Sonnemann, Hänel.

Universität

 

“Die farbentragenden Verbindungen florierten (...). Politisch standen die Verbindungen durchweg auf der äußersten Rechten, nicht zuletzt durch den Einfluß der "alten Herren". Die SymboIe des neuen Staates wurden gern geschmäht.” (Zeitzeuge)

 

Während sich die meisten Professoren eher abwartend verhielten, bekannten sich einige klar zum neuen Staat. Unter waren Richard Courant (SPD), Julius Hatschek (DDP) oder Fritz Schulz (DDP). Zu den „Modernen“ gehörte auch Leonard Nelson (Internationaler Jugendbund/IJB). Er unterlag wegen seiner pazifistischen Überzeugungen während des Krieges der Briefüberwachung.
Die neue Zeit brachte neue Organisationen. Die Ortsgruppe des Rats der geistigen Arbeiter war dem IJB verpflichtet. Der Politische Verein freiheitlich gesinnter Akademiker organisierte zusammen mit dem Arbeiter- und Soldatenrat „Volksvorlesungen“ an der Universität. Innerhalb der Universität blieben diese linken bis sozialdemokratischen Bestrebungen allerdings eine Randerscheinung.

 

Als erste schlugen die Studenten wieder nationalistische Töne an. Der Bund zur Hebung des nationalen Gedankens (im Volksmund „Hebebund“) versammelte Professoren und Studenten, die die neue Republik ablehnten. Unter ihnen waren Edward Schröder oder Karl Brandi (DVP). Hugo Willrich (DNVP) erregte mit seinen antisemitischen Ausfällen regelmäßig die Gemüter. Die Zeitfreiwilligen des Göttinger Studentenbataillons bildeten ab Frühjahr 1919 eine Art von „Freikorps auf Abruf“. Studentinnen blieben mit etwa 10% der Studierenden weiterhin die Ausnahme.


„Die Studentinnen sind bis auf einige ganz unbekannte Gesichter gänzlich aus den Hörsälen verschwunden; vereinzelte, die sich mutig hineinwagen, riskieren ausgescharrt zu werden.“ (Zeitzeuge)

Zeitzeugen

 

Dr. Herbert Beyer, geboren 1894, war der Sohn eines Rechtsanwalts. Er selbst studierte und wurde ebenfalls Rechtsanwalt und Notar.

(...) Ich bin Anfang 1919 unter dem Eindruck der sturen konservativen Haltung der meisten Studenten in die SPD eingetreten. Ich habe den Gewerkschaften Unterricht über die sie interessierenden Gesetze gegeben. Außerdem habe ich als Angehöriger der alten Jugendbewegung zeitweise versucht, die Arbeiterjugend in kultureller Beziehung zu betreuen, mußte das aber bald aufgeben, weil ich wenig Verständnis fand.

 

Meta Büder, geboren 1897, war später Lehrerin – parteilos

Wenn ich an die Abende im Maschmühlenweg denke, so erinnere ich mich an die Versammlungen. Ich bin von A bis Z dabei gewesen, habe zugehört und meine Kommilitonen bewundert. Diese Versammlungen waren immer furchtbar voll. Bei den politischen Versammlungen war man immer einer Meinung. Die Redner kamen alle aus dem Krieg. Sie wußten, was da passiert war. Über die Monarchie im allgemeinen hat keiner mehr gesprochen. Es kam alles über einen wie eine Wasserflut. Man nahm es hin, man wunderte sich, oder man war erschrocken. Ein moralisches Urteil zu fällen‚ lag nicht in meinen Kräften.

 

Dr. Ludwig Köwing‚ Jahrgang 1899, war der Sohn eines Vorschlosser an der Bahn. Er studierte und wurde Lehrer.

(…) Ich kann aus eigener Beobachtung nur die damaligen gesellschaftlichen Verhältnisse in der Göttinger Studentenschaft beurteilen. Diese bot bei äußerlicher Betrachtung das gewohnte Vorkriegsbild: Die farbentragenden Verbindungen florierten, durch ihre Zugehörigkeit zu einzelnen Verbänden ihre Mitglieder sozial nuancenreich differenzierend. Politisch standen die Verbindungen durchweg auf der äußersten Rechten, nicht zuletzt durch den Einfluß der "alten Herren". Die SymboIe des neuen Staates wurden gern geschmäht. (Daß man dabei die neuen Reichsfarben als "Schwarz-rot-Senf" zu bezeichnen Iiebte, fand ich nicht nur geschmacklos, sondern unsagbar dumm, denn man wußte in den Kreisen dieser Spötter offenbar nicht, daß ja "Schwarz-rot-gold" die Farben der deutschen Burschenschaft und dadurch ruhmvoll mit der Geschichte der deutschen Freiheitsbewegung verknüpft waren.) Dafür war das gesellige Leben der großen Mehrheit der Studenten ungezwungen und kameradschaftlich, auch gegenüber den Studentinnen, in denen man nun Kommilitoninnen in des Wortes eigenster Bedeutung, nicht mehr verkappte "Blaustrümpfe" sah. Die soziale Herkunft der Kommilitonen interessierte im akademischen Lehrbetrieb niemanden. Nicht sie zählte, sondern die Leistungen in Seminaren und Übungen. Sozial nivellierend wirkte schon die Kleidung. Wir trugen zumeist unsere alten Uniformen, natürlich ohne Rangabzeichen‚ mit zivilen Knöpfen usw.. Wie schon früher auf meiner alten Schule habe ich mich auch während meines Studiums als Arbeiterkind bei keiner Gelegenheit sozial diskriminiert gefühlt.

 

Dr. Georg Schnath, geboren 1898, bildet einen Sonderfall. Erführte Tagebuch zu den Ereignissen 1918 und 1919 und publizierte es in zeitlicher Nähe zu seinem Interview mit Popplow.

Es gab eine Mensa, ich habe aber nie davon Gebrauch gemacht. Ich habe immer einem privaten Tisch angehört. Das war am Schildgraben. Da waren wir zu sieben, acht Studiker und eine nette Witwe kochte für uns. Sie lief immer nach Herberhausen und holte etwas heran. (...)

(…) (In Ihrem Tagebuch steht, das es einen "Politischen Verein freiheitlich gesinnter Akademiker" gegeben hat, der mit dem Arbeiter- und Soldatenrat bewußt Vorlesungen abgehalten hat?)

Das wurde aber von der Masse der Studenten abgelehnt. Die fanden das nicht richtig. Es war nur eine Minderheit, die dahinter stand. Ich selbst bin auch nicht hingegangen.

(Die Arbeiter, für die diese Einrichtung hauptsächlich gedacht war, sind auch nicht hingegangen. Sie hatten ihre sozialen Probleme, so das diese Sache versandet ist. In diesem Zusammenhang wird immer Professor Hatschek erwähnt. Haben sie ihn gekannt?)

Ja. Hatschek galt als sehr linksstehend. Er war Österreicher, ein bedeutender Staatsrechtler mit internationaIem Ruf.