Symbole


"Ebert war in Göttingen nicht so beliebt gewesen. Als er später nach Göttingen kam, wurde vor dem Bahnhof über die Allee eine Badehose gespannt." (Zeitzeuge)


Wie soll die neue Republik heißen? Die Sozialdemokraten befürworteten „Deutsche Republik“. Die Mehrheit der Nationalversammlung setzte sich aber durch: Der Name blieb „Deutsches Reich“. Die neue Verfassung, verabschiedete am 31. Juli 1919, besagte im Artikel 1: „Das Deutsche Reich ist eine Republik.“ Der Name „Weimarer Republik“ wurde erst Ende der 1920er Jahre benutzt.


Die Farben der bürgerlich-demokratischen Nationalbewegung des 19. Jahrhunderts wurden in die Reichflagge übernommen, „Schwarz-Rot-Gold“. Dies rief heftigen Widerspruch der Republikgegner hervor. Sie favorisierten die kaiserliche Fahne „Schwarz-Weiß-Rot“ und schmähten das neue Symbol mit „Schwarz-Rot-Senf“. Die alten Farben blieben in der Flagge der Handelsmarine erhalten.


Zwei Personen wurden zu „Ersatzkaisern“ und nacheinander Reichspräsident: Friedrich Ebert und Paul von Hindenburg. Vor allem der Sozialdemokrat Ebert war Ziel heftiger Angriffe, wie das „Badehosenfoto“ zeigt. Er wurde von seinen Gegnern als „Novemberverbrecher“ und Landesverräter bezeichnet. Für seine Anhänger stand die Autorität des „roten Kaisers“ allerdings außer Frage. Der Popularität seines Nachfolgers Hindenburg konnte auch der verlorene Krieg, die Verbreitung der „Dolchstoßlüge“ und das Paktieren mit dem rechten Rand nicht schaden. Er personifizierte die Kontinuität des Kaiserreiches.

Friedrich Ebert (1871-1925), 1918. Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung
Friedrich Ebert (1871-1925), 1918. Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung

 Friedrich Ebert

Seit 1913 war Friedrich Ebert Vorsitzender der SPD, von 1919 bis zu seinem Tod 1925 Reichspräsident. Er verstand sich als Mann des Ausgleichs und der Parteieinheit. Während des Krieges vertrat er die Politik des innenpolitischen Stillhaltens („Burgfrieden“) und der „Vaterlandsverteidigung“. Ab 9. November 1918 Reichskanzler, lenkte er die Revolution schnell in parlamentarische Bahnen. Sein Bündnis mit der Obersten Heeresleitung sicherte ihm ein innenpolitisches Machtmittel gegen radikale Gruppen. Damit schaffte er aber auch die Basis des konservativen Widerlagers gegen die Regierung.

 

1919 „Badehosenfoto“. Bundesarchiv
1919 „Badehosenfoto“. Bundesarchiv

 „Badehosenfoto“


Dieses Foto war ein gezielter Angriff auf die Autorität des neuen Reichspräsidenten. Abgebildet sind Friedrich Ebert und Gustav Noske (stehend, zweiter und dritter von rechts) mit Henry Everling und anderen Mitgliedern der Konsumgenossenschaft Produktion beim Baden in Haffkrug im Juli 1919. Erstmals veröffentlichte wurde es bereits am 9. August 1919 in der Deutschen Tageszeitung. Zur Vereidigung Eberts auf die Reichsverfassung am 21. August 1919 platzierte es die Berliner Illustrierte Zeitung auf der Titelseite. Das Bild wurde schnell zu einem wichtigen Mittel republikfeindlicher Polemik.

 

Postkarte Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg (1847-1934), 1918. Städtisches Museum Göttingen
Postkarte Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg (1847-1934), 1918. Städtisches Museum Göttingen

Paul von Hindenburg

1919 trat Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg (1847-1934) von seinem Posten als Chef des Generalstabes des Heeres zurück. Er wohnte in Hannover und unternahm viele Reisen durch das Reich. Das Foto rechts entstand anlässlich eines Besuches in Göttingen am 6. Juli 1921. Die Universität ernannte Hindenburg zum Ehrenmitglied und stellte eine Büste des Militärs in der Aula am Wilhelmsplatz auf. 1925 wurde Hindenburg als Vertreter des antirepublikanischen Reichsblocks der Nachfolger Friedrich Eberts als Reichspräsident.

Hindenburg vor der Aula der Universität 1921. Städtisches Museum Göttingen
Hindenburg vor der Aula der Universität 1921. Städtisches Museum Göttingen

Zeitzeugen

 

Konrad Büsing, geboren 1905, war Schüler des Königlich-preußischen Gymnasiums. Sein Vater war Königlich-preußischer Beamter an der Universität. Die Familie war strikt konservativ eingestellt.
(…) Wir sahen Sie (die Politiker) damals als Landesverräter an, weil sie sich für das neue Regime eingesetzt und zur Verfügung gestellt hatten. Ich erinnere mich, daß mein Vater bei jeder Gelegenheit sagte: "Reichspräsident Ebert ist ein Landesverräter und gehört an den nächsten Laternenpfahl." Er tat das so lange, bis das Regierungsschutzgesetz herauskam und er mehrfach gewarnt wurde, weiterhin solche Aussprüche zu tun, weil ihm das als Beamten angelastet werden könnte.
Viele Politiker wurden auch nicht ernst genommen und es wurde versucht, sie der Lächerlichkeit preiszugeben. Durch Indiskretion hatte eine Illustrierte Ebert und Scheidemann in der Badehose gebracht. Ebert war ziemlich korpulent und sah nicht eben günstig aus. Als Ebert einmal einen offiziellen Besuch in Göttingen abstattete, um das Durchgangslager zu besichtigen, wurde er überall ausgepfiffen und ausgelacht. In der Kurzen Geimarstraße war auf einem alten Fachwerkhaus eine vollgestopfte rote Badehose an einer Mistgabel herausgehängt. Überall wo er hinkam, erklang der Ruf "Badehose". Er genoß also keineswegs die Achtung, die ihn seines Amtes Wegen zugestanden hatte.
Noske hatte den Beinamen „Bluthund“. Man sagte, er sei ein Radikaler, weil er als dafür verantwortlich war, daß auf Kommunisten geschossen wurde.


Lena v. Stutterheim, geboren 1889, war Tochter eines Professors. Sie arbeitete nach einer Kurzausbildung am Kriegsende als Krankenschwester.
(…) Ich fand es allerdings sehr geschmack- und würdelos, daß sich Ebert und Noske für das Titelbild der "Berliner Illustrirten" in Badehosen fotografieren ließen. Wenn man der höchste Repräsentant des Deutschen Reiches ist, läßt man sich nicht in solch einer Kleidung fotografieren. Zudem bietet ein Mann mit Eberts Figur in Badehose ein sehr umschönes Bild.


Gretchen Gellinek, geb. Calsow‚ geboren 1893, war die Tochter des Oberbürgermeisters. Offizierswitwe — parteilos
(…) Von der Zeit habe ich Noske am besten in Erinnerung, weil er die Revolution in Bahnen lenkte, daß sie uns nicht vernichtete, sondern zum Guten umfunktionierte. Ohne Noske hätte es hier bestimmt schlimmer ausgesehen.
(Wie haben Sie Ebert gesehen?)
Als guten Präsidenten des neuen Reiches, dem wir Hochachtung zollten und der uns auf einen Weg führte, der damals gangbar war.
Barthold Helmoldt, Jahrgang 1896, war der Sohn eines Gutsbesitzers. Er selbst wurde Gärtner und blieb parteilos. Er war seit 1915 Soldat und trat nach Kriegsende als Offizier in ein Freikorps ein, in dem er bis 1920 blieb.
(…) Ebert, Noske‚ Erzberger‚ usw. wurden von den Kommunisten bedrängt (Spartakisten). Diese wollten mit Gewalt russische Verhältnisse im Deutschen Reich einführen. Es gab öffentlichen Aufruhr. Wir haben Ebert zu verdanken, daß das Deutsche Reich erhalten geblieben ist, und Noske, daß er mit harter Faust in Deutschland Ordnung geschaffen hat. Er hat die schlimmsten Dinge abgewendet.


Gerhard Lubrich war 1918 15 Jahre alt und besuchte das Gymnasium. Sein Vater war Beamter, er selbst arbeitete später bei der Ärztekammer. Er blieb parteilos.
(…) Als Noske und Ebert aus dem Weimarer Nationaltheater kamen, in dem die Nationalversammlung tagte, standen wir, die Reichswehr, als Ehrenformation draußen und präsentierten das Gewehr vor den beiden. Und die nahmen ihre Schlapphüte ab und gingen an der Front lang. Die Soldaten lachten zwar nicht, aber zum Teil lächelten sie. Unser Batallion bestand ungefähr zu 90 % aus Kriegsteilnehmern. Diese waren auch nicht so für Ebert und Noske; aber trotzdem,es ging alles korrekt vor sich. Heute muß man vor Ebert und Noske den Hut ziehen.


Willi Reinhard war zur Zeit der Revolution 14 Jahre alt. Er erlernte den Beruf eines Bäckers und trat 1926 in die SPD ein.
(…) Geschätzt habe ich besonders Ebert. Um so schäbiger war es, was bürgerliche Kreise später mit der Badehosen-Affäre gemacht haben. Noske stand ich kritisch gegenüber. Er war zwar ein entschlossener Mann, doch zu vertrauensselig gegenüber den Offizieren der alten Armee.